Stellungnahme zur Diskussion um Kokosöl
Sieben von acht Reviews kommen zu dem Schluss, dass gesättigte Fette KEINEN EINFLUSS auf die Gesamtsterblichkeit haben!
Das Schöne an der Demokratie ist ja, dass jeder seine Meinung sagen darf. Das ist gut und so soll es auch sein. Gefährlich wird es dann, wenn Menschen ihre Autorität und Stellung ausnutzen um verunsicherte Konsumenten mit Hetzreden und einfacher Polemik versuchen hinters Licht zu führen. Ein als wissenschaftlich getarnter Vortrag, weil in einem Hörsaal der Universität Freiburg abgehalten, getragen durch die akademischen Titel der Vortragenden, schlägt derartige Wellen, dass sogar große Median wie Die Presse, ORF, The Business Insider und sogar CNN darüber berichten müssen.
Die Vortragende, Frau Prof. Michels, nimmt sich auf jeden Fall bei Ihren Aussagen kein Blatt vor den Mund. Sie sagt in Ihrem Vortrag wörtlich: „Kokosöl ist das schlimmste Lebensmittel, das man überhaupt essen kann“ und „Kokosöl ist das reine Gift“. Im Wesentlichen begründet sie diese Behauptung damit, dass Kokosöl hauptsächlich aus gesättigten Fettsäuren besteht und sie sagt […] alle gesättigten Fette sind fest und gehen direkt in Ihre Koronararterien […] Leider verabsäumt Frau Prof. Michels irgendeine ihrer Behauptungen mit Studien zu belegen. Hätte sie sich nämlich mit der tatsächlichen Datenlage beschäftigt, dann wäre ihr aufgefallen, dass einige ihrer Aussagen wissenschaftlich nicht haltbar sind.
Ihr Vortrag auf YouTube (Abgerufen 25.08. 2018)
Datenlage zu Kokosöl
2018, Randomisierte Interventionsstudie[1]
Khaw, Kay-Tee, et al. „Randomised trial of coconut oil, olive oil or butter on blood lipids and other cardiovascular risk factors in healthy men and women.“ BMJ open 8.3 (2018): e020167.
Die Teilnehmer waren insgesamt 94 gesunde Frauen und Männer zwischen 50 – 75 Jahren. Sie wurden über ein Zufallsprinzip einer von drei Gruppen zugeordnet. Jede Gruppe sollte eines der folgenden Fette über die 4 Wochen konsumieren. Täglich sollten 50 g von entweder nativen Olivenöl, Butter oder nativem Kokosöl konsumiert werden.
Was wurde untersucht?
Der Hauptfokus lag auf Veränderungen von LDL-Cholesterin. Weiters wurden erhoben: Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, Triglycerid/ HDL-C Ratio, nicht-HDL-C, Gewicht, BMI, Bauchumfang, Körperzusammensetzung, Blutdruck, Nüchternblutzucker und C-reaktives Protein.
Schlussfolgerung:
Kokosöl hatte keinen Einfluss auf LDL-C, so wie auch das Olivenöl. Kokosöl erhöhte signifikant das HDL-Cholesterin, und zwar mehr als Olivenöl. Es gab auch keinen signifikanten Unterschied zwischen Kokosöl und Olivenöl was TC/ HDL-C Ratio und nicht-HDL-C betrifft.
Kokosöl senkt signifikant das C-reaktive Protein, ein wichtiger Entzündungsmarker.
2016, Randomisierte Studie
Vijayakumar, Maniyal, et al. „A randomized study of coconut oil versus sunflower oil on cardiovascular risk factors in patients with stable coronary heart disease.“ Indian Heart Journal 68.4 (2016): 498-506.
Schlussfolgerung:
Kokosnussöl, obwohl es reich an gesättigten Fettsäuren im Vergleich zu Sonnenblumenöl ist, wenn es als Speiseöl über einen Zeitraum von 2 Jahren verwendet wurde, änderte die lipidbezogenen kardiovaskulären Risikofaktoren und -ereignisse nicht.
Datenlage zu gesättigtem Fett
Der zweite übergeordnete Punkt den Frau Prof. Michels anspricht ist, dass ja generell gesättigte Fette schlecht wären. Auch in diesem Punkt scheint die Vortragende nicht am neuesten Stand zu sein.
Der ehemalige Präsident der World Heart Federation Dr. Yusuf Salim erklärte in seiner Eröffnungsrede der größten Kardiologie-Konferenz der Welt in Davos im Frühjahr 2017, dass wir jahrzehntelang getäuscht wurden und die derzeit geltenden Ernährungsempfehlungen, vor allem was gesättigtes Fett und Kohlenhydrate angeht, falsch sind.
Seine Reden kann man hier auf YouTube ansehen.
In dasselbe Horn bläst übrigens auch Sylvan Lee Weinberg, der ehemalige Präsident des American College of Cardiology[2]:
The low-fat, high-carbohydrate diet … may well have played an unintended role in the current epidemics of obesity, lipid abnormalities, type 2 diabetes, and metabolic syndromes. This diet can no longer be defended by appeal to the authority of prestigious medical organizations.
Übersetzung: Die fettarme, kohlenhydratreiche Diät … kann in der aktuellen Epidemie von Fettleibigkeit, Lipid-Anomalien, Typ-2-Diabetes und metabolischen Syndrom eine unbeabsichtigte Rolle gespielt haben. Diese Diät kann nicht länger, unter Berufung auf die Autorität renommierter medizinischer Organisationen, verteidigt werden.
Zusammenfassung der Ergebnisse aus Randomisierten Kontrollierten Studien (RCT) zu gesättigtem Fett
Es gibt acht Reviews, die sich die Evidenz aus den bisher durchgeführten RCTs angesehen haben. Der Fokus der RCTs waren sogenannte „Harte Endpunkte“ wie etwa Sterblichkeit (Tod). Sieben von diesen acht Reviews kommen zu dem Schluss, dass gesättigte Fette KEINEN EINFLUSS auf die Gesamtsterblichkeit noch auf die Sterblichkeit durch kardiovaskuläre Erkrankungen haben. (alle Studien sind nach dem Fazit aufgelistet.)
Fazit
Es ist traurig und erschreckend, dass es in der heutigen Zeit immer noch ausreicht, einfach einen Doktortitel zu haben um haltlose Behauptungen aufzustellen, die dann auch noch ungeprüft geglaubt werden. Noch viel erschreckender, als die Tatsache, dass man sich als Akademikerin zu einem solch populistischen Vortrag hinreißen lässt, ist allerdings, die Reaktion der Medien. Der Vortrag von Frau Prof. Michels wurde gepusht und aufgeblasen, als ob es sich um eine unglaubliche Entdeckung handeln würde. Sie hat Meinungen als Fakten präsentiert und ihre Autorität als Ärztin vorsätzlich ausgenützt – das finde ich das aller traurigste.
Natives Kokosöl ist weder der Heilige Gral, noch ist es pures Gift. Es ist ein wunderbares Naturprodukt, welches ein Teil jeder gesunden Ernährung sein darf.
Reviews der kontrollierten randomisierten Studien
“Dietary Fat and Coronary Heart Disease: Summary of Evidence From Prospective Cohort and Randomised Controlled Trials” (review of observational data and clinical trials)
Annals of Nutrition and Metabolism (2009)
Skeaff CM, PhD, Professor, Dept. of Human Nutrition, the University of Otago, Miller J.
PLOS Medicine (2010)
Mozaffarian D, Department of Epidemiology, Harvard School of Public Health, Micha R, Department of Epidemiology, Harvard School of Public Health, and Wallace S, Department of Epidemiology, Harvard School of Public Health.
“Reduced or Modified Dietary Fat For Preventing Cardiovascular Disease” (Systematic Review and Meta-analysis) (Analysis of clinical trials)
Cochrane Database Syst Review (2012), An independent organization of scientists who specialize in systematic reviews. This review is an update on one conducted in 2011.
Hooper L, Norwich Medical School, University of East Anglia, Summerbell CD, Thompson R, et al.
“Association of Dietary, Circulating, and Supplement Fatty Acids with Coronary Risk: A Systematic Review and Meta-analysis” (on observational data on all fatty acids and RCTs on supplementation with polyunsaturated fats, o3s or o6s)
Annals of Internal Medicine (2014)
Rajiv Chowdhury, MD, PhD, University of Cambridge, Samantha Warnakula, University of Cambridge, et al.
“Dietary fatty acids in the secondary prevention of coronary heart disease: a systematic review, meta-analysis and meta-regression,” (on clinical trials)
BMJ Open (2014)
Lukas Schwingshackl and Georg Hoffman, Faculty of Life Sciences, Department of Nutritional Sciences, University of Vienna, Vienna, Austria
“Reduction in saturated fat intake for cardiovascular disease,” (systematic review and meta-analysis of randomized, controlled clinical trials)
Cochrane Database Systematic Review, 2015
Hooper, L. et al.
British Journal of Sports Medicine (2016)
Harcombe, Z., Baker, JS, Davies B.
The BMJ (2016) starting p. 7. (on RCT data)
Nutrition Journal (2017)
Steve Hamley
Circulation (the journal of the American Heart Association, original authors of the diet-heart policy for Americans)
Sacks FM, Lichtenstein AH, Wu JHY et al., for the American Heart Association.
Non-systematic reviews:
“Saturated Fat, Carbohydrate, and Cardiovascular Disease” (Review of clinical trials)
American Journal of Clinical Nutrition (2010)
Siri-Tarino PW, Children’s Hospital, Oakland Research Institute Oakland, Sun Q, MD, Departments of Nutrition and Epidemiology, Harvard School of Public Health, Hu FB, MD, Departments of Nutrition and Epidemiology, Harvard School of Public Health, et al.
Weitere Artikel und Quellen zu dem Thema
https://www.nutritioncoalition.us/saturated-fats-do-they-cause-heart-disease
https://foodpunk.de/kokosoel-reines-gift/
/3-dinge-die-du-ueber-gesaettigtes-fett-wissen-solltest/
/cholesterin-boesewicht-oder-suendenbock-die-wahrheit-ueber-cholesterin-und-arteriosklerose/
Super detaillierte Videoanalyse von Daniela Pugge:
[1] Khaw, Kay-Tee, et al. „Randomised trial of coconut oil, olive oil or butter on blood lipids and other cardiovascular risk factors in healthy men and women.“ BMJ open 8.3 (2018): e020167.
[2] Weinberg, Sylvan Lee. „The diet–heart hypothesis: a critique.“ Journal of the American College of Cardiology 43.5 (2004): 731-733.
Bildquellen:
- Fresh coconuts and coconut oil: By BrianAJackson | (c) licensed via Envato
mich würde interessieren worin die frau michels ihren professortitel gemacht hat!!!
obendrein ist sie auch eine sehr schlechte rednerin und sollte vielleicht mal stimmbildung und atemtechnik erlernen!
Sie ist Gynäkologin
Vielen Dank Julia für diese kompetente Stellungnahme. Ja, es ist bedauerlich wie schnell die Menschen sich verunsichern lassen, wenn einmal etwas von einem Dr. oder Prof. kommt.
Dieses ganze Gerede ist einfach nur furchtbar und ich denke man sollte in erster Linie einmal nachforschen wer solche extreme Hetzen bezahlt. Es würde mich jedenfalls sehr interessieren wieviel und von wem Fr. Pro. Dr. bekommen hat.
Jeder der wirklich daran interessiert ist in welchem Verhältnis seine Fettsäuren im Körper vorhanden sind, kann eine sehr aufschlussreiche Fettsäure-Analyse bei Norsan machen lassen.
Ich lebe seit 25 Jahren vegetarisch, biologisch und meine einzigen Fette im Haushalt sind: Kokosöl, Olivenöl, Leinöl, Kürbiskernöl, Walnussöl, und Omega 3 Öl aus Meeresfisch; alle in hochwertiger Qualität und nicht gepanschte Billigprodukte aus dem S M oder Disk. bin 72 Jahre alt und habe gerade durch eine aktuelle Clusteranalyse (Blut) eine Lebensqualität einer 55jährigen bestätigt bekommen. Meiner Meinung nach sind die meisten Studien wertlos wenn die Produkte von minderwertiger, unterschiedlicher Qualität sind. Wir vergessen, dass Lebensmittel Mittel zum Leben sind und offensichtlich ist uns da Leben nichts oder nicht viel wert.