Die meisten werden schon einmal etwas von der „basischen Ernährung“ gehört haben. Die Theorie ist nett, leicht zu messen und irgendwie eingängig. Doch sie ist FALSCH. In diesem Artikel werde ich auf die Grundlagen der „Theorie des Säure-Basen Haushaltes“ eingehen und warum die Vorstellung, man könnte über die Ernährung „übersäuern“ so nicht haltbar ist.

Die Grundidee der „Säure-Basen Diät“

Es gibt einige unterschiedliche Varianten dieses Ernährungsmodels, die Grundidee ist allerdings jene, dass es einerseits säureformende Lebensmittel gibt und andererseits basenformende Lebensmittel. Die Vorstellung ist, dass ein allgemein basischer Zustand im Körper anzustreben ist und es daher gesundheitlich förderlich sei, säureformende Lebensmittel zu vermeiden. Die Anhänger dieser Hypothese sehen in einer erhöhten „Säurebelastung“ die Grundlage für Zivilisationskrankheiten wie Krebs und Osteoporose.

Um den eigenen „Säure-Basen“ Zustand zu messen, wird empfohlen, den pH-Wert vom Urin zu messen. Das ist einfach, kostengünstig und gibt sofortiges Feedback.

Grundidee

  • Die Ernährung beeinflusst den pH Wert im Blut
  • Der pH Wert von Urin ist ein Indikator
  • Säurebildende Lebensmittel sind assoziiert mit negative gesundheitlichen Konsequenzen

 

Was sind die Fakten?

Nahrungsmittel beeinflussen den Urin-pH-Wert

Chemisch gesehen, können Nahrungsmittel in sauer, basisch oder neutral eingeordnet werden. Diese Einordnung richtet sich danach, wie viele säureformende Komponenten in Form von Schwefel, Chlor oder Phosphat enthalten sind bzw. wie viele basenformende Komponenten in Form von Magnesium, Kalium oder Calcium. Alle tierischen Produkte und Getreide zählen somit zu den säureformenden Nahrungsmitteln, während Gemüse und Obst zu den basenformenden Lebensmitteln gezählt werden. Reiner Zucker, reines Fett und reine Stärken sind neutral, da sie weder Eiweiß (Protein), Schwefel noch Mineralstoffe enthalten[1] [2].

Es ist auch richtig, dass Nahrung den Urin-pH-Wert beeinflusst[3]. Allerdings ist der pH-Wert unseres Urins kein guter Marker für den Gesamt-pH-Wert oder überhaupt ein aussagekräftiger Marker für den allgemeinen Gesundheitszustand. Der pH-Wert im Urin unterliegt starken Schwankungen und wird durch viele Faktoren beeinflusst, wie Ernährung, Medikamente, Nierenerkrankungen, Harnwegsinfektionen und nicht zuletzt davon, wie viel man getrunken hat.

 

„Saurer Harn ist kein Hinweis auf eine Übersäuerung des Körpers, sondern Ausdruck dessen, wie gut die körpereigenen Eliminationssysteme funktionieren.“

 

Nahrungsmittel beeinflussen NICHT den pH-Wert im Blut

Eine weitere Aussage der Verfechter der „Säure-Basen Hypothese“ ist, dass wir durch Nahrung direkt den pH-Wert im Blut beeinflussen könnten und, dass ein „saures“ Blut negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat.

Regulation des pH Wertes im menschlichen Körper

Im Gegensatz zum Urin-pH-Wert ist der pH-Wert im Blut sehr genau reguliert und wird in engen Grenzen gehalten und kann nicht durch die Nahrung direkt beeinflusst werden[4]. Es gibt natürlich Zustände, bei denen der pH-Wert im Blut absinkt. Dies wird als Acidose bezeichnet. Eine Acidose (Übersäuerung im Blut und Gewebe) tritt nur bei schweren Erkrankungen (z.B. Nierenversagen, unkontrollierte Diabetes) auf und ist lebensbedrohlich.

Bei der Synthese von ATP (Adenosintriphosphat) aus Glukose, Aminosäuren oder Fett entsteht Lactat und CO2. Diese Säuren müssen aus dem System entfernt werden. Der Körper hat mehrere Möglichkeiten wie er mit den überschüssigen Säuren umgeht[5].

  • Puffer: Es gibt körpereigene Puffer, wie zum Beispiel Bicarbonat (HCO3), um Säuren zu puffern.
  • Abatmen von CO2 über die Lunge
  • Ausscheiden von Säuren über die Niere und in weiterer Folge den Urin

Führen säureformende Lebensmittel zu Osteoporose

Eine weitere Sorge ist, dass der Körper den Knochen Calcium entziehen muss um die „Säurelast“ zu puffern und dies zu einer Demineralisierung und somit zur Entstehung von Osteoporose beiträgt. Hier wird die zentrale Rolle der Niere vollkommen ignoriert. Entstehende Säuren werden durch Bicarbonat (HCO3) im Blut gepuffert. Es entstehen dabei CO2 und Na+-Salze. CO2 wird über die Lunge abgeatmet während Na+-Salze in Form von NH4+ über die Niere ausgeschieden werden. In der Niere wird dabei auch neues Bicarbonat (HCO3) generiert und wieder ins Blut abgegeben um dort das verbrauchte Bicarbonat zu ersetzten[6].

In epidemiologische und klinische Studien bestätigt sich die „Säuren-Basen Theorie von Osteoporose“ nicht[7]. Viele Jäger und Sammler Kulturen, wie etwa die Inuit und die Massai, essen eine „säureformende“ Diät, doch Osteoporose finden wir in diesen Kulturen nicht.

Schaut man sich die Studien an, so scheinen sie auf den ersten Blick die Theorie des Calciumverlusts zu bestätigen. Tatsächlich ist es so, dass bei erhöhter Proteinaufnahme, mehr Calcium über den Urin ausgeschieden wird. Bei weiterer Analyse zeigt sich aber, dass jedoch auch gleichzeitig eine erhöhte Aufnahme von Calcium in den Knochen stattfindet. Misst man die Calcium-Balance (also Aufnahme minus Ausscheidung), so fanden Forscher keinen negativen Effekt bei einer säureformenden Diät[8].

Zusammenfassend kann man also sagen, dass eine proteinreiche Ernährung, auch wenn sie grundsätzlich säureformend ist, keine negativen Auswirkungen auf die Knochengesundheit hat. Grundsätzlich findet man in der Literatur eher das Gegenteil. Gerade bei älteren Menschen ist eine erhöhte Proteinaufnahme immer mit besserer Knochengesundheit und erhöhter Muskelmasse assoziiert. Klinische Studien, zwei Meta-Analysen und ein Review-Paper, kommen geschlossen zu dem Ergebnis, dass kontrollierte randomisierte klinische Studien, die Hypothese, dass säureformende Diäten den Verlust von Knochenmasse begünstigen und zu Osteoporose beitragen, nicht unterstützen[9] [10] [11].

Kontrollierte randomisierte klinische Studien unterstützen die Hypothese NICHT, dass säureformende Diäten den Verlust von Knochenmasse begünstigen und zu Osteoporose beitragen.

Abschließende Gedanken

Ich hoffe ich konnte einige Unklarheiten beseitigen und zu einem besseren Verständnis des Sachverhalts beitragen. Es ist sicherlich nichts Falsches daran viel Gemüse zu sich zu nehmen und wer mit einer wohl formulierten LCHF Ernährung oder einer Paleo Ernährung vertraut ist, der wird wissen, dass Gemüse eine zentrale Rolle spielt. Wirft man einen Blick auf die Liste der basischen Lebensmittel, so könnte man diese Liste, mit ein paar wenigen Ausnahmen, auch in einem Paleo-Buch finden.

[1] http://ajph.aphapublications.org/doi/pdf/10.2105/AJPH.26.11.1113

[2] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11842946

[3] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7797810

[4] http://advan.physiology.org/content/33/4/275.full

[5] http://journals.cambridge.org/action/displayAbstract?aid=9016507&fileId=S0007114513000962

[6] http://advan.physiology.org/content/33/4/275.full

[7] http://journals.cambridge.org/action/displayAbstract?aid=9016507&fileId=S0007114513000962

[8] http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1359/jbmr.090515/full

[9] http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1359/jbmr.090515/full

[10] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21529374

[11] http://journals.cambridge.org/action/displayAbstract?fromPage=online&aid=8878808&fulltextType=RV&fileId=S0007114513000962

  1. Guter Artikel!
    Ich schreibe gerade selber an zwei Beiträgen über den Zusammenhang zwischen hohem Eiweißkonsum und Knochen- sowie Nierengesundheit, um mit den gängigen Vorurteilen mal abzurechnen. Verrückt, was da v.a. seitens der Vegetarier bzw Veganer immer behauptet wird, was in keinster Weise der wissenschaftlichen Realität entspricht.
    Gruß Martin

    1. Hallo Martin,

      freut mich sehr, dass dir der Artikel gefällt. Ja, du hast recht. Es sind so viel wilde Behauptungen im Umlauf. Ich meine vieles davon klingt ja auch oft sehr einleuchtend. Nur wenn man sich dann die physiologischen Grundlagen abschaut, fällt das Kartenhaus zusammen. Wo werden denn die Artikel veröffentlicht an denen du schreibst? Bitte schick mir unbedingt den Link, wenn du sie fertig hast. Was ist eigentlich dein Hintergrund?

      lg
      Julia

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