Was ist ketogene Ernährung?
Die ketogene Ernährung hat eine lange Geschichte. In den 1920er Jahren fanden Dr. Wilder und sein Kollege Dr. Peterman, beide Ärzte an der renommierten Mayo Clinic in Rochester Minnesota heraus, dass eine Diät, die einen Anstieg der Ketone im Blut ermöglichte, die Anfälle bei Patienten mit pharmakoresistenten Epilepsien reduzierte[1].
Wann werden Ketonkörper gebildet?
In Zeiten von Nahrungsknappheit und Hunger, hat der Körper die Möglichkeit auf eine alternative Energiequelle zu wechseln – sogenannte Ketonkörper. Ketone sind kleine, wasserlösliche Verbindungen, die in der Leber synthetisiert werden. Das ermöglicht einen einfacheren Transport im Blut, zudem können Ketone zur Energiegewinnung, ohne spezialisierte Shuttlesysteme, direkt in die Mitochondrien transportiert werden. Und sie gelangen ohne Probleme durch die Blut-Hirn-Schranke. Diese Eigenschaften machen die Ketone so besonders.
Es gibt drei verschiedene Ketonkörper Aceton, Acetoacetat und Beta-Hydroxybutyrat.
Ketone sind nichts Ungewöhnliches oder Fremdes für unseren Körper. Sie decken zum Beispiel bis zu 50 % des Energiebedarfs des neugeborenen Kindes, das mit Muttermilch gestillt wird[2]. Jäger und Sammler in gemäßigten Breiten, dürften die Wintermonate, also zwischen 5 und 8 Monate, in Ketose verbracht haben.
Ketone werden nicht nur produziert, wenn die Nahrung knapp ist, sondern auch wenn die Menge an Kohlenhydraten in der Nahrung stark reduziert wird, üblicherweise unter 50 g/ Tag. Allerdings ist diese Grenze sehr individuell und kann für mache bei weniger als 20 g/ Tag liegen und bei anderen bei mehr als 100 g/ Tag.
Wie du deine persönliche Kohlenhydrat-Toleranz ermittelst erfährst du hier.
Umsetzung der ketogenen Ernährung
Wer eine ketogene Ernährung umsetzen möchte muss verstehen, dass jeder Makronährstoff, der eine Insulinausschüttung oder einen Anstieg des Blutzuckers mit sich bringt, nur eingeschränkt konsumiert werden darf.
Kohlenhydrate bzw. Zucker in all seinen diversen Erscheinungsformen ist der größte Faktor, der sowohl Insulin als auch Blutzucker beeinflusst. Kohlenhydrate, ob komplex oder einfach – am Ende ist es Zucker, der im Blut und Schluss endlich auch bei den Zellen ankommt. Doch auch Protein kann ein Problem sein. Größere Mengen Protein verhindern also auch, dass der Körper Ketone produziert, weil Protein insulinogen ist, das bedeutet es führt zu einer Ausschüttung von Insulin. Darum sollte man große Mengen an fettarmen Proteinquellen tunlichst vermeiden, bzw. immer mit ausreichend Fett kombinieren. Wer allerdings die fetteren Teilstücke präferiert und die Finger von Hühnerbrust und Karreeschinken lässt, sollte kein Problem haben.
Hinweis: Eine bedarfsgerechte Versorgung mit hochwertigem Protein ist sehr wichtig. Kinder, Sportler, ältere Menschen und schwer kranke Menschen haben einen höheren Proteinbedarf. Protein darf 1-2 g/ kg Körpergewicht ausmachen. In manchen Fällen auch mehr.
Kohlenhydrate sind nicht essenziel. Der Körper kann in der Leber sowohl aus Triglyceriden als auch aus Proteinen Glucose selber herstellen. Dieser Prozess wird als Gluconeogenese, die Neuentstehung von Zucker, bezeichnet. Es gibt also keinen „Kohlenhydratmangel“.
Darum hier zur Definition:
Eine wohl formulierte LCHF Ernährung ist stark reduziert in Kohlenhydraten, moderat an Protein und hoch/ bis sehr hoch in Fett.
Eine übliche Makronährstoffverteilung wäre 65-70% Fett, 20% Protein und 10% Kohlenhydrate.

Ketonkörper Synthese
Die Synthese von Ketonkörpern erfolgt aus Acetyl-CoA, dem normalen Zwischenprodukt des Fettsäureabbaus (β-Oxidation) und findet in den Mitochondrien der Leberzellen statt. Syntheseweg von Ketonkörpern in der Leber (Ketogenese)
Aus Acetyl-CoA wir über mehrere Schritte Acetoacetat. Aus Acetoacetat wird Aceton und Beta-Hydroxybutyrat gebildet. Aceton wird üblicherweise abgeatmet und dient nicht zur Energiegewinnung. Alleinig Acetoacetat und Beta-Hydroxybutyrat dienen als Energielieferant.
Oxidation von Ketonkörpern
Alle Zellen, die Fettsäuren verstoffwechseln können, können auch Ketonkörper nutzen. Es erfolgt die Umwandlung von β-Hydroxybutyrat zu Acetyl-CoA. Acetyl-CoA wir dann in den Citratzyklus eingeschleust und zur Synthese von ATP genutzt.
- Ketonkörper sind wasserlöslich
- Können durch die innere Mitochondrienmembran transportiert werden. Sie werden direkt in den Citrat-Zyklus eingeschleust und stehen so zur ATP Gewinnung zur Verfügung
- Können die Blut-Hirn Schranke überwinden. Ist man ketoadaptiert benötigt das Gehirn nur noch 40 g Glucose, statt 120 g. Der Rest wird über Ketone gedeckt
- Ketonkörper können von einer Vielzahl von Geweben im Körper genutzt werden inkl. Zentralnervensystem und Gehirn
- Ketonkörper können unabhängig von Insulin in die Zelle transportiert werden und so auch bei einer Insulinresistenz der Zellen eine ausreichende Energieversorgung sicherstellen

Welche Vorteile kann eine ketogene Ernährung bringen?
Stabile Energieversorgung und bessere Blutzuckerkontrolle
Die Ketose bringt metabolische Flexibilität. Das heißt der Körper kann leichter zwischen Glukose und Fett als Energiequelle wechseln. Wer ketoadaptiert ist hat einen stabilen Blutzucker und kommt problemlos mit langen Essenspausen zurecht. Da das Gehirn durch die Ketonkörper bestens versorgt ist, bleiben Müdigkeit, Gereiztheit und Konzentrationsschwierigkeiten aus. Viele berichten sogar von einem erhöhten mentalen Fokus.
Diabetes Management
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Artikel von Feinman et al. hinweisen, welches Januar 2015 in der renommierten Fachzeitschrift „Nutrition“ erschienen ist[3]. Der Titel „Dietary carbohydrate restriction as the first approach in diabetes management: Critical review and evidence base.“ In diesem detaillierten Review-Artikel, bereiten Dr. Richard Feinman und 21 Forscher- und Ärztekollegen aus aller Welt, die Datenlage auf und kommen zu folgendem Schluss – die Reduktion von Kohlenhydraten sollte der erste Ansatz beim Management von Diabetes sein.
Energieversorgung insulinresistenter Zellen
Ketonkörper können unabhängig von Insulin in die Zelle transportiert werden und können so auch bei einer Insulinresistenz der Zellen, eine ausreichende Energieversorgung sicherstellen[4]. Eine weitere wichtige Eigenschaft von Ketonkörpern ist ihre Fähigkeit, im Gegensatz zu Triglyceriden, die Blut-Hirn Schranke passieren zu können. Ist man in Ketose, decken Ketonkörper den Großteil des Energiebedarfs des Gehirns. Dies findet bereits in der Alzheimerforschung Anwendung. Man weiß, dass bei Alzheimerpatienten die Glukoseaufnahme der Gehirnzellen stark eingeschränkt ist und es somit zu einer Unterversorgung der Neuronen kommt. Die Umstellung auf eine Ketogene/ Paleo Ernährung und die ergänzende Gabe von MCT-Ölen hat in klinischen Studien zu einer Verbesserung der kognitiven Leistung[5] und sogar zu einer teilweisen Rückkehr bereits verlorengegangener Fähigkeiten bei Alzheimerpatienten geführt[6].
Unterschied nahrungsinduzierte Ketose und Ketoazidose
Ich möchte nur ganz kurz auf die Ketoazidose eingehen. Die meisten Ärzte haben in ihrer Ausbildung Ketone nur im Zusammenhang mit der Ketoazidose kennen gelernt. Dies ist eine lebensbedrohliche Stoffwechselsituation, welche nur bei Typ-1 Diabetikern auftritt.
Definition aus der Wikipedia:
„Bei der Entstehung einer Ketoazidose häufen sich Ketonkörper im Blut an und vermindern dessen pH-Wert, verursacht durch einen langanhaltenden absoluten Insulinmangel. Durch den Insulinmangel können die Körperzellen kaum mehr Glucose aus dem Blut aufnehmen, da erst durch Insulin Glut 4 in die Zellmembranen verlagert wird. Dies führt zu einem unzureichend gedeckten Energiehaushalt der Zellen. Diese signalisieren dem Gehirn diesen Energiemangel worauf die Hormone Adrenalin, Noradrenalin sowie andere Insulin Antagonisten freigesetzt werden. Diese sorgen für einen erhöhten Fettabbau in den Fettgeweben. Das so freigesetzte Fett wird von der Leber in Ketonkörper umgebaut und in das Blut abgegeben
Am häufigsten ist für die Anhäufung organischer Säuren im Blut die katabole Stoffwechselsituation bei Insulinmangelzuständen im Rahmen eines entgleisten Diabetes mellitus ursächlich (diabetische Ketoazidose).
Bei einer manifesten Ketoazidose findet man Ketonkörperkonzentrationen von 20 mmol/l oder mehr. Solche Werte sind bei gesunden Menschen, mit einer nahrungsinduzierten Ketose nicht erreichbar. Die nahrungsinduzierte Ketose bewegt sich in Bereichen von 0,5 – 7 mmol/l.
Was unbedingt zu beachten ist
Die Ketose ist ein geniales Werkzeug den eigenen Stoffwechsel zu beeinflussen und sich und seinen Körper besser kennen zu lernen. Muss jeder für den Rest seines Lebens in Ketose sein? Vermutlich nicht. Wer die ketogene Ernährung nicht aus therapeutischen Gründen in sein Leben integrieren muss oder soll, kann einen zyklischen Ansatz wählen. Zeitweilige ketogene Phasen können viele Vorteile bringen, wie verbesserte Konzentration, stabilen Blutzucker und erhöhte Fettoxidation. Eine richtig formulierte ketogene Ernährung kann jedoch bedenkenlos auch über Jahre hinweg durchgeführt werden.
Der Artikel ist zuerst erschienen am 6. Februar 2015 auf foodlinx.de
[1] Wilder, R. 1921. The effect on ketonemia on the course of epilepsy. Mayo Clin Bull. 1921, 2 (1921), 307.
[2] Bougneres, P. F., et al. „Ketone body transport in the human neonate and infant.“ The Journal of clinical investigation 77.1 (1986): 42-48.
[3] Feinman, Richard D., et al. „Dietary carbohydrate restriction as the first approach in diabetes management: Critical review and evidence base.“ Nutrition 31.1 (2015): 1-13.
[4] Costantini L C et al. Hypometabolism as a therapeutic target in Alzheimer’s disease BMC Neuroscience 2008. Volume: 9 Issue: Suppl 2 Pages: S16 DOI: 10.1186/1471-2202-9-S2-S1 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2604900/
[5] Henderson ST. Ketone bodies as a therapeutic for Alzheimer’s disease. Neurotherapeutics. 2008 Jul;5(3):470-80. doi: 10.1016/j.nurt.2008.05.004 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18625458
[6] Reger MA, Henderson ST, Hale C, Cholerton B, Baker LD, Watson GS, Hyde K, Chapman D, Craft S. Effects of beta-hydroxybutyrate on cognition in memory-impaired adults. Neurobiol Aging. 2004 Mar;25(3):311-4. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15123336
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