Am Freitag den 27. Februar 2015 lief auf Arte TV die BBC Horizon Doku-Soap „Zucker gegen Fett“ – Zucker oder Fett: Was schadet mehr?  die im Original am 29 Jänner 2014 lief.

Zwei englische Low Carb Blogger, Ernährungsberaterin Zoe Harcombe und der britische Arzt Dr. John Briffa haben vor rund einem Jahr bereits gute Artikel zu dieser schlecht gemachten Dokumentation gemacht. Constantin von Paleosophie hat als erster auf Deutsch berichtet.

Ich fasse hier die wichtigsten Punkte aus den drei erwähnten Artikeln zusammen und habe auch einige eigene Ergänzungen. Ich empfehle jedem, der die Zeit hat, die original Artikel zu lesen.

Eine Anekdote ist keine Studie

Wer kennt sie nicht die Aussage: „aber meine Großvater hat auch geraucht und ist 85 geworden)“. Das ist eine Anekdote und wir wissen aus der Wissenschaft, das Rauchen Krebs fördert. Das heißt aber nicht, das jeder der einmal eine Zigarette anschaut gleich an Krebs stirbt. Nur eine ordentlich durchgeführte Studie kann uns also aufzeigen was gut oder nicht gut für uns ist.

Zwillinge sind nicht identisch

Viele Faktoren können bei 35 jährigen Zwillingen zu Unterschieden führen. Ein Zwilling wird in den USA, ein anderer in England getestet. Über Jet-Lag, Schlafmangel oder Stress durch unbekannte Umgebung wird nichts berichtet.

Die „Diät“

Eine wohl formulierte kohlenhydratreduzierte Diät bedeutet auch immer: viel (sehr viel) grünes Gemüse sowie schwefelhaltiges Gemüse. Eiweiß (Protein) wird eher moderat konsumiert und Milchprodukte gar nicht, wenn man sie nicht verträgt bzw. sich nach Paleo/Steinzeit ernährt.

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(c) Arte TV 2015 http://www.arte.tv/guide/de/053418-000/zucker-oder-fett-was-schadet-mehr
Die High Carb Ernährung. Nur Zucker (in Form von Pasta, Reis, Kartoffeln und Brot). Das Obst macht, dass es gesund „aussieht“.

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DIe High Fat Diät: Viel Fleisch (Eiweiss und kein Fett) und viele Milchprodukte

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Milchprodukte beinhalten ca. 5% Kohlenhydrate und auch verarbeitetes Fleisch und Wurstprodukte beinhalten Kohlenhydrate. Wenn also besonders viel davon konsumiert wird, kann nicht von einer Low Carb Diät geredet werden. Keine der beiden Diäten ist besonders „ausgewogen“. Im Film wird aber nur auf zu erwartende Nebenwirkungen von High Fat eingegangen, die aber bei einer wohl formulierten Ernährungsweise gar nicht vorkommen (Schlechter Mundgeruch, Verstopfung).

Kohlenhydrate werden zu Zucker

Ein Highlight ist die Aussage der klassisch trainierten Ernährungswissenschaftlerin „Brot, Brötchen, Nudeln, Reis und Kartoffeln sowie alle Frühstückscerealien und auch die Früchte werden vom Körper am Ende in Zucker verwandelt“. Auf der einen Seite wird von den Massenmedien und Ärzten empfohlen auf Zucker zu verzichten, doch auch die vorgeschlagen alternativen werden eben vom Körper in Zucker umgewandelt. Wenn man die Kohlenhydrate nicht reduziert schafft man es nicht die Zuckerbelastung für den Körper sinnvoll zu senken

Einzigartiges „Experiment“

Bereits für ein TV Programm im Jahr 2008 (Medicine Men Go Wild Episode 3 – UK Channel 4) haben die beiden Brüder High Fat bei Eingeborenen im Nordosten Russlands probiert. Neu ist das Experiment deshalb auch für die Brüder nicht.

Leistungstest Gehirn

Wenn der fett-essende Bruder vorher 35 Jahre lang auf Kohlenhydrate eingestellt war, dann braucht sein Körper, selbst mit einer wohl formulierten kohlenhydratreduzierten Ernährungsweise, mindestens zwei Wochen, bis er daran angepasst ist. Wir sprechen davon, dass er keto-adaptiert ist, sein Körper und vor allem das Gehirn, auch Ketonkörper (Fett) zur Energiegewinnung optimal verwenden kann. Ohne diese Anpassungsperiode ist ein Leistungstest natürlich nicht zu gewinnen. Jetlag wegen der USA Reise und der Zufall der Börsenmärkte beim gewählten Test sind zwei weitere Faktoren, die das Ergebnis negativ beeinflussen konnten.

Leistungstest Sport

Der Coach des Team Sky Rad-Teams Nigel Mitchell gibt nochmal seine Meinung zum besten, das Kohlenhydrate der wichtigste Brennstoff sind. Dies ist vermutlich auch der Grund für seinen sportlichen Körperbau (eine Mutmaßung meinerseits, aber da der Film auch nicht fair ist, erlaube ich mir das)

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Schaut so (rechts) ein trainierter Athlet aus?

Ohne keto-adaptiert zu sein tut sich der fett-essende Bruder sichtlich schwer. Als Energie wird im ein Stück Butter angeboten, dem anderen Bruder ein Glukose Gel. Sollte zumindest dieser Teil korrekt sein, müsste der fett-essende Bruder MCT Öl bekommen. Die mittelkettigen Fettsäuren (Medium Chain Triglyzeride) werden vom Körper rasch in kurzkettige Fette (Ketonkörper) zerlegt und geben so ähnlich schnell Energie wie ein Glukose Gel.

Ähnlich unfair wäre es, einem Bruder ein Sport-Glukose Gel zu geben und dem anderen die gleiche Kalorienmenge in Form von kalten Kartoffeln zu verabreichen. Bis die beiden den Berg hinauf geradelt sind, sind die Kartoffeln noch nicht einmal vom Körper zerlegt worden, während das Glukose-Gel rasch im Blut landet.

Zuschauer-Manipulation mit Experten

Eine interessante Beobachtung hat Jennifer, in den Kommentaren zu Dr. John Briffa’s Beitrag, gemacht. Der einzige zucker-kritische, Experte Dr. Robert Lustig, wird mit lustiger Musik am Pier 39 in San Francisco mit Karussell präsentiert, während Professor Susan Jebb in klinischer, akademischen Atmosphäre präsentiert. Eine billige Methode der Manipulation.

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Dr. Robert Lustig, DER Experte für Zucker und Fruktose vor einem Ringelspiel

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Professor Jebb von der Oxford Universität im entsprechenden Rahmen

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Blutzucker Tests

Blutzucker-Tests mit Heim-Test-Geräten haben eine zulässige Fehlertoleranz von 20% (die laut Studien sogar manchmal noch überschritten wird). Die gemessenen Unterschiede sind alle innerhalb dieser Toleranz-Werte. Ohne Labormessungen kann man aus den getesteten Blutzuckerwerten also nichts ableiten. Sie sind alle im Norm-Bereich gewesen.

Glukose Toleranz Test

Wenn dein Körper 4 Wochen lang keinen Zucker bekommt, ist es auch kein Wunder, dass er dann bei einer Überdosis in Form einer flüssigen Glukose-Lösung beim OGTT (Oraler Glukose Toleranz Test) nicht mit dem plötzlichen Ansturm zurechtkommt. Der Test sagt uns also überhaupt nichts. Außer, dass unser Körper effizient dabei ist, Funktionen abzuschalten, die er nicht braucht (es kommt wochenlang kein Zucker, also brauche ich weniger Insulin). Da weniger Glukose in den Körper kommt. Müssen die Zellen auch nicht auf große Insulin-Ausschüttung reagieren. Dieses Phänomen der physiologischen Insulin-Resistenz. Dieser Zustand hat nichts mit der Insulin-Resistenz von Diabetikern zu tun, trotz der Ähnlichkeit im Namen. Physiologische Insulinresistenz ist ein umkehrbarer Prozess. Einige Tage etwas mehr Reis oder Kartoffeln essen, und auch ich könnte einen OGT Test problemlos bestehen. Bei der physiologischen Insulinresistenz wird das Muskelgewebe Insulin-resistent um Blutzucker (Glukose) auf einer gewissen Höhe zu belassen, damit das Gehirn Energie hat. Würde das Muskelgewebe dies nicht tun, würde mehr Blutzucker verbraucht werden und der minimale Bedarf von Glukose für das Gehirn unterschritten (Ohnmacht). Das Gehirn kommt übrigens bestens mit dem Zucker aus, den unser Körper selbst herstellen kann. Es braucht aber eine Möglichkeit den Muskeln zu sagen: Nehmt euch nicht all den Zucker, ich brauche auch etwas. Die physiologische Insulinresistenz ist dieser Mechanismus.

Mehr Insulin Ausschüttung bei dem zucker-essenden Bruder ist NICHTS positives. Über Jahrzehnte gesehen heißt dass, dass seine Bauchspeicheldrüse (genauer die Beta-Zellen darin) „ausbrennen“ und irgendwann im Alter nicht mehr Insulin produzieren können. DANN ist er Diabetiker. Doch der Weg dahin ist lang, und zeigt sich natürlich nicht innerhalb eines 30 Tage Tests.

Blutfettwerte

Auf die Werte wird nicht konkret eingegangen, nur das sie sich nicht verschlechtert haben, obwohl dies erwartet wurde. Eigentlich eine positive Leistung, wenn man Fett ist, die Blutfettwerte aber eben nicht wesentlich verändert, entgegen der langläufigen Meinung.

Körperfett und Muskelmasse

Beide Brüder haben Körperfett verloren, der fett-essende Bruder aber einiges mehr. Im Film wird fälschlicherweise behauptet, dass er aber auch 2 kg Muskelmasse verloren hat. Das ist falsch. Die BodPod Messung kann nur zeigen, dass er 2kg fett-freie Masse verloren hat, also alles im Körper aus Fett.

Kohlenhydrate/Glukose werden in Form von Glykogen gespeichert. Ein gesunder Erwachsener kann ca. 400g in der Leber und 100g in den Muskelzellen speichern. Wenn wir davon ausgehen, das 80% davon verbraucht sind, weil keine Glukose gegessen wird, heißt dass das 400g Glykogen verbraucht wurden. Jedes Gramm Glykogen bindet aber noch 3g Wasser. Wird Glykogen verbraucht, verlieren wir auch das zugehörige Wasser (400 x 3g). Das macht in diesem Beispiel 1600g der 2000g fett-freien Masse aus. Damit ist der potentiell errechnete Muskelverlust ca. 400g und damit gleichauf mit dem zucker-essenden Bruder, bei dreimal höherem Körperfettverlust.

Dieser Erfolg (mehr Körperfett bzw. Gewichtsverlust bei einer Ernährungsweise mit viel Fett) wird aber nicht gefeiert.

Fazit

Auch wenn es nur eine Anekdote, eine nette Geschichte ist, so beeinflusst sie doch viele Zuschauer aufgrund der wissenschaftlichen Aufmachung. Viel besser wäre es gewesen einen Low-Carb Experten wie Dr. John Briffa oder den mit Radsportlern arbeitenden Dr. Stephen Phinney als Experten hinzuzuziehen. Doch die Möglichkeit, das eine wohl formulierte kohlenhydratreduzierte Ernährungsweise gut und gesund sein kann (wie viele Studien beweisen) darf gar nicht stimmen, also wird dieser Möglichkeit im Film auch kein Platz geboten.

So lange so verzerrt und mit Vorurteilen über Low Carb und High Fat im öffentlichen TV berichtet wird, wird sich leider nichts an der Ernährung unser Mitbürger ändern. Schön, dass es aber auch Wissenschaftssendungen wie Faszination Wissen aus dem Bayrischen Fernsehen gibt, die mit Voll Fett ist halb so schlimmüber die Änderungen in der Wissenschaft berichten:

[quote]Seit Jahrzehnten hören wir, dass Fett ungesund ist und man wenig davon essen soll. Und obwohl wir immer weniger Fett essen, steigt die Zahl der Fettleibigen und der Herzkranken weltweit seit den 1950er-Jahren an. Was ist da los?
Faszination Wissen – Zur Ehrenrettung eines wichtigen Nährstoffs[/quote]

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