Aktuell macht wieder ein Studie [01]Hall et al., Calorie for Calorie, Dietary Fat Restriction Results in More Body Fat Loss than Carbohydrate Restriction in
People with Obesity, Cell Metabolism (2015) http://dx.doi.org/10.1016/j.cmet.2015.07.021
die Runde, die von der Presse im deutschsprachigem Raum [02]Spiegel [03]ORF [04]Pressetext und im englischsprachigem Raum [05]BBC [06]Washington Post [07]LA Times [08]Forbes [09]Time Magazine leider falsch interpretiert wird. Auch die Wissenschaftler haben wieder einmal eine reißerische Schlagzeile gefunden, die bei genauer Betrachtung so lauten müsste

Übergewichtige verlieren maximal 0,15% mehr an Körperfett, wenn sie unter ärztlicher Dauerbeobachtung eine extrem fettreduzierte und kalorienreduzierte Diät machen im Vergleich zu einer moderat kohlenhydrateingeschränkten Diätform mit gleichen Kalorien.

Nicht ganz so sexy wie der Spiegel schreibt:

„Schmelzen die Fettpolster tatsächlich schneller als mit fettarmer Kost? Ein rigoroser Test spricht dagegen.“

Bill Lagakos [10]A brief explanation of Hall et al., ie, THE LOW CARB WAR, Dr. Eenfeldt [11]Did a Low-Fat Diet Result in More Fat Loss?, Mark Sisson [12]Dear Mark: Low-Fat Versus Low-Carb Study, Constantin von Paleosophie [13]Neue Studie: Ist Low-Fat doch besser als Low-Carb?, Sebastian Roth [14]DER SPIEGEL ARTIKEL „DIÄT-STREIT: IST LOW CARB BESSER ALS LOW FAT?“ UND DIE IRRELEVANZ DER DURCHGEFÜHRTEN STUDIE sowie Phil [15]Hall shows greater weight loss on reduced carbohydrate und Ton Naughton [16]Fat Head » That “Low-Fat Beats Low-Carb” Study

haben sich auch bereits mit der Berichterstattung und der Studie auseinandergesetzt

Auch die Grafik dazu ist nicht gerade berauschend. Der Unterschied, gemessen am DXA Scan ist nicht signifikant:

fat-mass-dxa-rf-rc

Ich finde es Schade das hier von den Wissenschaftlern nicht die im Volltext beschriebenen Probleme deutlicher aufgezeigt wurden.

  1. Um Iso-Kalorisch zu bleiben (gleiche Kalorien, also beide Test-Diäten genau um 30% gesenkt) haben sich die Wissenschaftler entschieden Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Sie haben eine sehr fettreduzierte Diät mit einer nur moderat kohlenhydratreduzierten Diät verglichen (siehe unten mehr dazu)
  2. Die etwas kohlenhydrateingeschränkte Diät führt zu deutlich MEHR gesamt Gewichtsverlust (und bei den Männern auch zu mehr Körperfett
  3. Insulin, wichtig vor allem wenn Übergewicht zu Diabetes führt, ist um fast 1/3 mehr zurückgegangen, als die Probanden eine etwas kohlenhydratzreduzierte Diät gegessen hatten
  4. Fett Oxidation (also die Freisetzung von Fett) ist bei der etwas kohlenhydratzreduzierte Diät massiv angestiegen, bei der sehr fettreduzierten Diät aber gesunken
  5. Die Fettmessung mit DXA Scan konnte keinen Unterschied in der Fettmasse zwischen den beiden Diäten feststellen. Die errechneten 59g Unterschied sind einfach zu gering für die Maschine gewesen
  6. Das Berechnungsmodel sagt für eine 6-monatige Diät nach diesem Muster (also unter 100% Überwachung !!!) nur eine geringfügig höheren Fettverlust voraus
  7. Im echten Leben (Hunger, keine Dauerbeobachtung) ist diese Ernährung vermutlich nicht längerfristig durchführbar

Studienaufbau

19 Übergewichtige Probanden durchliefen (zufällig verteilt) beide Diättypen mit einem 2-4 wöchigen Abstand. Sieh wurden während den 6 Tagen Diät ganz genau kontrolliert. Hier wurde also sehr genau gearbeitet.

Ziel war es, die Probanden auf eine um 30% Energiereduzierte Diät zu setzen. Das führt dann aber dazu, dass die Low Fat Diät sozusagen die extremste Form war (17g Fett bzw. 7,7% der kcal). Diese extreme Diät (sozusagen die Königsklasse der LowFat Diäten) wurde dann mit einer moderaten kohlenhydratreduzierten und nicht gerade Fettreichen Diät verglichen.

vgl-kcal-rc-rf

 

Bei Low Fat (RF) wurden die Kohlenhydrate und Eiweiß (Protein) gleich gelassen.

Bei Low Carb (RC) wurden Fett und Eiweiß gleich gelassen.

Das führt dazu das bei RF von 109g Fett auf 17g Fett heruntergesetzt wird. Die Fettoxidation (Fettverbrennung) des Körpers ist aber auf 109g Fett eingestellt und kann innerhalb von 6 Tagen nicht auf die neue Homeostase (Gleichgewicht) herunterfahren (wie Bill Lagakos vermutet). Wenn aber die Kohlenhydrate reduziert werden hat (biochemisch gesehen) der Körper bei der Glukose Oxidation kein solches Problem (es werden also SOFORT weniger Kohlenhydrate verbrannt). Das erzeugt in der kurzen Zeit von 6 Tagen einen Vorteil für die Low Fat (RF) Diät im Vergleich zur Low Carb (RC) Diät.

Die Wissenschaftler schreiben  dazu versteckt im Volltext:

[…] carbohydrates were about 29% of the energy content of the RC diet with a mean absolute carbohydrate intake of about 140 g/day […] Thus, while the RC diet qualifies as a low-carbohydrate diet, it was clearly not a very low-carbohydrate diet, which typically requires carbohydrates to be less than 50 g/day. Given the composition of the baseline diet, it was not possible to design an isocaloric very low-carbohydrate diet without also adding fat or protein.

Aber gerade das ist es, was den Erfolg einer Paleo Low Carb bzw. LCHF Ernährungsweise ausmacht. Das zusätzliche Fett und die Reduzierung der Kohlenhydrate unter 50g führen zu besseren Ergebnissen. Und selbst das geben die Wissenschaftler (ein bisschen zu), den ihr mathematische Model sagt für very Low Carb ein zumindest gleich gutes Ergebnis voraus

The mathematical model simulations suggest that the diet with selective reduction in fat would continue to outpace the reduced carbohydrate diet over 6 months. However, further reducing dietary carbohydrate from the RC diet (with a corresponding addition of fat to maintain calories) was predicted to decrease body fat to a greater extent than the experimental RC diet. Very low carbohydrate diets were predicted to result in fat losses comparable to low fat diets.

Warum also wird die wirkungsvollste Form einer #LowFat Ernährung mit einer eher durchschnittlichen #LowCarb verglichen und was sagt uns das für die Praxis? Ich meine: nichts.

Ergebnisse

Der Unterschied im Fettverlust nach 6 Tagen

  • RC: -0,529kg
  • RF: -0,588kg

Mit der RF (Fettreduzierten) Diät haben die Probanden im Schnitt also 59g mehr Fett verloren. Bei dem Probanden mit dem geringsten Körperfettanteil (Tabelle 1 42kg – 2,8kg = 39,2kg Körperfett) sind das also immerhin 0,15% des Körperfett. Jeder soll da für sich entscheiden ob das tatsächlich so ein großartiges Ergebnis ist.

Auch wenn man mit RC sicherlich viel Wasser verliert, sind die 550g MEHR Gewichtsverlust bei der #LowCarb Diät bei diesen übergewichtigen Probanden sicherlich für Gelenke und die Mobilität vermutlich wichtiger.

Insulin sinkt und die Fettoxidation steigt bei der moderat kohlenhydrateingeschränkten Diät. Alles beide ist sehr positiv zu sehen. Da aber eben 140g Kohlenhydrate gegessen wurden und der Zeitraum mit sechs Tagen äußerst kurz war können die Vorteile einer echten wohlformulierten kohlenhydratreduzierten Ernährungsweise noch nicht voll zum Tragen kommen. Das wären

  • Keto-Adapation: Der Körper hat genug Ketonkörper um auch das Gehirn direkt mit Energie aus Fett zu versorgen. Dazu sollten Blut-Keton-Körper bei 1 mmol (aber zumindest über 0,5 mmol) und typischerweise bis zu 2-3 mmol ansteigen. Die Adaption braucht aber üblicherweise 2-3 Wochen Zeit, weshalb die FASTER Study an der University of Connecticut z.B. nur mit Athleten zusammengearbeit hat, die mindestens 6 Monate Low Carb gegessen haben http://www.bengreenfieldfitness.com/2014/05/how-much-fat-can-you-burn-2/
  • Die Hungerkontrolle (Hormone Leptin/Ghrelin) wirkt meist erst unterhalb von 130g (besser 100g) kohlenhydrataufnahme. Dafür muss natürlich mehr Fett gegessen werden. Im Endeffekt führt dann das geringere Hungergefühl und die bessere Sättigung (durch viel Gemüse und Fett) dann zu einer freiwilligen Kalorienrestriktion.
  • Es wird also weniger konsumiert, ohne das man 24 Stunden unter Beobachtung sein muss. Das ist in der Praxis besser durchführbar, wie auch 18 Studien zeigen http://www.dietdoctor.com/low-carb/science
  • Selbst das Model der Wissenschaftler sagt: eine gute LowCarb Diät (mit weniger Kohlenhydraten als in der Studie) würde zu mehr Körperfettverlust führen (siehe weiter oben). Damit wären beide Diäten wieder gleichauf und wir müssen die nachhaltigere (durchführbare) der beiden Diäten als Sieger küren.

Fazit

Die Studie wurde grundsätzlich gut gemacht, es wurden aber Äpfel mit Birnen verglichen, was nur im Text auch von den Wissenschaftlern zugegeben wird.Die „bessere“ Diät in diesem Modelversuch ist in der Praxis kaum einzuhalten.

Was passiert nach den 6 Tagen. Wenn wir uns die Fettoxidation anschauen, können wir uns vorstellen wie es weitergeht:

fat-oxidation-rf-rc

  1. Die LowFat Gruppe hat eine etwas schlechtere Fähigkeit Fett zu verbrennen. Ein kleiner „Ausrutscher“ und die Kalorien landen an der Hüfte
  2. Die LowCarb Gruppe hat mehr Gewicht (Wasser und Glykogen – gespeicherte Kohlenhydrate) verloren und diese Speicher sind nun recht leer. Gleichzeitig ist die Fettverbrennungsfähigkeit massiv gestiegen.

Langfristig ist eine wohlformulierte kohlenhydratreduzierte Ernährungsweise besser für Gewichts- und Fettverlust

Nachtrag

Nach Schreiben dieses Artikels hat Phil eine Interessante Entdeckung gemacht. In der Excel-Tabelle (Tabelle S1 Original Excel Download) der Studie liest man das, wenn man nur die Männer betrachtet, der Fettverlust bei RC sogar größer war als bei RF (Nicht statistisch signifikant, aber genau umgekehrt als in der Überschrift angegeben)

Phil weist darauf hin, das die Frauen und Männer der Gruppe in allen Parametern (Alter, Gewicht, Respiratory Quotient RQ) statistisch unterschiedlich waren und deshalb, bei so einer kleinen Gruppe, eigentlich getrennt betrachtet werden müssten. Laut seiner Analyse wäre es nach 9 Tagen, nachdem die Glykogenspeicher vollends geleert worden wären erst richtig interessant geworden. Lies am besten in seinem Blog Post nach.

Außerdem was das Energiedefizit bei RC kleiner (LowCarb um 158kcal  mehr). Mit mehr Kalorien haben die Männer, die lowcarb gegessen haben also sogar mehr Körperfett verloren. Nicht auszudenken wie (für lowcarb positiv) diese Studie ausgegangen wäre, wenn sie (a) länger gewesen wäre und (b) Kohlenhydrate auf am besten 50g beschränkt hätte anstelle der zu moderaten Einschränkung auf 140g

Δ RC dietp-valueΔ RF dietp-valuep-value
MalesN=10N=8RC vs. RF
BW (kg)-2.09±0.240,0001-1.25±0.260,00290,014
BMI (kg/m2)-0.653±0.080,0002-0.4±0.0850,00330,013
% Body Fat-0.164±0.180,4-0.36±0.180,0990,11
Fat Mass (kg)-0.82±0.150,00160.784±0.160,00270,8
SMR (kcal/d)-97.8±460,06922.1±480,660,021
24hr EE (kcal/d)-139±360,00611±380,780,017
Energy Balance (kcal/d)748±54.2<.0001-906±56.9<.00010,014
  1. Ziemlich erschreckend, wie viele unserer Ernährungswisschenschaftler in der Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts stecken geblieben sind und die Funktion des menschlichen Körpers wie die einer Art Dampfmaschine sehen. Solche Studien sind das Papier nicht wert, auf welchem sie gedruckt sind.

    1. Man muss aber schon sagen, dass die Studie grundsätzlich gut gemacht und gut durchgeführt wurde. Es ist halt vor allem die Überschrift die „falsch“ ist. Wie Bill Lagakos in seinem Artikel schreibt, wäre ein besserer Titel gewesen:

      „Examination of acute shifts in energy balance by selectively reducing calorie intake from one macronutrient.“

      „Die Untersuchung der akuten Verschiebungen in der Energiebilanz NUR durch selektive Verringerung der Kalorienzufuhr von einem Makronährstoff“

      Leider ergab die Ausgangslage eben diese massive Reduktion in Fettkalorien bei der einen Gruppe und eine grosse Reduktion der Kohlenhydratekalorien (von 350g auf 140g) in der anderen Gruppe, die dadurch aber mit 140g immer noch viele Kohlenhydrate gegessen hatten.
      Es wurde ja sogar darauf geachtet, dass nicht auf komplexe Kohlenhydrate umgestellt wird, sondern der Zucker/Kristallzucker-Anteil ist auch gleich geblieben. Sonst könnte ja jemand sagen, dass es die Veränderung der QUALITÄT der Nährstoffe war, die zum Körperfett Verlust geführt hat.

      Fazit: Gute Studie, schlechtes Fazit und schlechte Überschrift der Forscher

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