Kurz und Knackig - was ist die PURE Studie
PURE steht für Prospective Urban and Rural Epidemiological Study
In der PURE-Studie werden 225.000 Teilnehmer aus mehr als 1.000 städtischen und ländlichen Gemeinden in 27 Ländern mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen eingehend.
PURE untersucht die Auswirkungen von Modernisierung, Urbanisierung und Globalisierung auf das Gesundheitsverhalten, die Entwicklung von Risikofaktoren und deren Einfluss auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Lungenerkrankungen, Krebs, Nierenerkrankungen, die Gesundheit des Gehirns und Verletzungen.
Mehr über PURE findst du hier: https://www.phri.ca/research/pure/
Ist Salz sparen doch nicht so gut?
Was ist Natrium und warum ist es wichtig?
Natrium ist ein lebenswichtiges Mineral, das unter anderem für die Regulation des Blutdrucks und der Flüssigkeitsbalance im Körper gebraucht wird. Allerdings gilt ein Zuviel an Natrium oft als Risikofaktor für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die empfohlene Tageszufuhr für Natrium liegt bei < 2300 mg, das ist in etwa ein Teelöffel Salz. Diese Empfehlungen gelten für die gesamte Population. Die Annahme ist, dass eine derart starke Reduktion der Natriumaufnahme für die Gesamtbevölkerung einen positiven Effekt hat und keine negativen Konsequenzen zu erwarten sind [i].
Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass es möglich ist, die Natriumzufuhr in der gesamten Bevölkerung nachhaltig auf ein niedriges Niveau zu senken. Außerdem sind die Belege für einen Zusammenhang zwischen Natriumkonsum und Herz-Kreislauf-Erkrankungen widersprüchlich, da in keiner Studie ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei niedriger Natriumzufuhr (unter 2,3 g/Tag) festgestellt wurde. Daher haben diese Empfehlungen zu einer erheblichen Kontroverse darüber geführt, wie hoch die optimale Natriumzufuhr für eine gute Gesundheit sein sollte.
Es liegt jedoch nahe, dass es, wie bei jedem essenziellen Nährstoff, eine optimale Aufnahmemenge gibt. Zu niedrige Aufnahme führt zu einem Defizit und zu hohe Aufnahme zur Toxizität. Somit würde man eine U-förmige Kurve und keinen linearen Zusammenhang zwischen Aufnahme und Sterblichkeit erwarten.
Ulrike Gonder und ich diskutieren die PURE Studie. Ergebnisse, Kritik und Doppelstandards in der Wissenschaft. Fette, Fleisch und Milchprodukte zeigen deutlich schützende Effekte.
Die bahnbrechende PURE-Studie
In der großen PURE-Studie mit über 100.000 Teilnehmern aus 18 Ländern auf 5 Kontinenten fand das Team um Dr. Mente einen u-förmigen Zusammenhang zwischen Natriumausscheidung über den Urin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das bedeutet, dass sowohl eine zu niedrige als auch eine zu hohe Natriumaufnahme gesundheitliche Risiken bergen können [ii].
Die Kontroverse um die Richtlinien
Aktuelle Ernährungsrichtlinien empfehlen eine sehr niedrige Natriumaufnahme von unter 2300 mg pro Tag. Diese Empfehlung wird jedoch durch die Ergebnisse der PURE-Studie und anderer neuerer Studien stark in Frage gestellt. Dr. Mente argumentiert überzeugend, dass eine Natriumaufnahme von 3-5 g pro Tag für die meisten Menschen optimal und am gesündesten sei. Sehr niedrige Natriumwerte sind praktisch für niemanden erreichbar und könnten sogar schädlich sein.

Abbildung: Der niedrigste Risikobereich (d. h. der "Sweet Spot") für die Natriumaufnahme liegt bei etwa 3 bis 5 g/Tag, wobei sowohl niedrigere als auch höhere Aufnahmemengen mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Tod verbunden sind. Die Empfehlung der Dietary Guidelines for Americans (DGA) für Natrium geht mit einem höheren Risiko für negative gesundheitliche Folgen einher.
Milch und Fleisch: Nicht ungesund
Viele Ernährungsempfehlungen raten zum Verzicht von vollfetten Milchprodukte sowie zur Reduktion von rotem Fleisch. Die PURE-Studie findet jedoch, dass ein moderater Verzehr von Vollfett-Milchprodukten und rotem Fleisch, mit einem geringeren Risiko für Mortalität und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist.
Mögliche Mechanismen
Es wird vermutet, dass gesundheitsfördernde Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren und bestimmte Aminosäuren, die in Milch und Fleisch enthalten sind, positive Effekte haben könnten. Außerdem gibt es Hinweise auf einen "healthy user bias" in vielen westlichen Beobachtungsstudien, da gesundheitsbewusste Menschen dazu neigen, Empfehlungen wie Fleischreduktion besonders strikt zu befolgen.
Die aktuelle Studie und der gesellschaftliche Widerstand
Das ideale Ernährungsmuster
In einer großen neuen Studie mit 245.000 Teilnehmern versuchte das Team um Dr. Mente, ein optimales Ernährungsmuster für die Herz-Kreislauf-Gesundheit zu finden. Sie stellten fest, dass eine Ernährung mit Vollfett-Milchprodukten, Fisch, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten, aber auch 1-2 Portionen (85 – 170 g gekocht) rotem Fleisch pro Tag, mit dem geringsten Krankheitsrisiko verbunden war [1].
Die äußerst restriktive Planetary Health Diet (EAT Lancet) schnitt schlechter ab und zeigte keine protektiven Effekte. Tierische Produkte beinahe komplett vom Speiseplan zu streichen, wirkt sich also nicht schützend aus und verringert auch nicht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen.

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Ideologie als Hindernis – Zensur im der Wissenschaft
Obwohl rotes Fleisch laut den Daten mit einer geringeren Mortalität assoziiert war, gab es Widerstand gegen die Empfehlung von Fleischkonsum - hauptsächlich aus Bedenken des Umwelt- und Klimaschutzes. Die Studie wurde von Begutachtern diverser Journale aus diesem Grund abgelehnt. Nicht weil sie methodisch falsch war, sondern weil die Ergebnisse nicht in den Zeitgeist passen. Das ist dramatisch und zeigt, wie stark die Zensur in den wissenschaftlichen Journalen vorangeschritten ist.
Dies wirft grundsätzliche Fragen darüber auf, ob bei der Ableitung von Ernährungsempfehlungen in erster Linie wissenschaftliche Daten oder sozio-politische Faktoren handlungsleitend sein sollten.
Schlussfolgerungen: Flexibilität und Nuancen
Gegen den Strich bürsten
Die Arbeit von Dr. Mente und Kollegen zeigt eindrücklich, dass wir so manche landläufige Annahme darüber, was eine "gesunde" Ernährung ausmacht, überdenken müssen. Gesundheitliche Effekte von Lebensmitteln sind oft nicht so eindeutig, wie angenommen.
Tierische Produkte stellen einen wichtigen Teil einer gesunden Ernährung dar
Eine wichtige Erkenntnis dieser Forschung ist, dass Ernährungsempfehlungen flexibel und individuell angepasst sein sollten, anstatt einer "One-Size-Fits-All"-Lösung. Tierische Lebensmittel müssen/sollen/ dürfen einen Platz in einer gesunden und ausgewogenen Ernährung haben.
Die richtigen Prioritäten setzen
Bei der Ableitung von Ernährungsrichtlinien sollte die bestmögliche Evidenz für die menschliche Gesundheit an erster Stelle stehen und nicht andere Motive wie Umwelt- oder Klimaschutz.
Fazit
Die optimale Ernährung für den Menschen ist ein sehr komplexes Thema, das noch lange nicht abschließend geklärt ist. Die großen Kohortenstudien von Dr. Mente liefern wichtige neue Datensätze und Erkenntnisse, die helfen können, bestehende Paradigmen und Annahmen zu hinterfragen und die Ernährungsforschung Schritt für Schritt weiterzubringen. Es bleibt spannend!
Quellen
[1] Mente, Andrew, et al. "Diet, cardiovascular disease, and mortality in 80 countries." European heart journal 44.28 (2023): 2560-2579.
[i] Whelton, Paul K. "Urinary sodium and cardiovascular disease risk: informing guidelines for sodium consumption." JAMA 306.20 (2011): 2262-2264.
[ii] Mente, Andrew, Martin O’Donnell, and Salim Yusuf. "Sodium intake and health: what should we recommend based on the current evidence?." Nutrients 13.9 (2021): 3232.
Bildquellen:
- Bild1: Mente, Andrew, Martin O’Donnell, and Salim Yusuf. "Sodium intake and health: what should we recommend based on the current evidence?." Nutrients 13.9 (2021): 3232.
- PURE Diet Score EWiP: EWiP 2023